Sonnenuntergangs-Sonnenaufgangs-Lauf
Letzten Freitag war es soweit. Sportfreund Dr. Trautmann lud zum fünften Sonnenuntergangs-Sonnenaufgangs-Lauf nach Apfelstädt ein. Das Prinzip des Laufes ist relativ einfach beschrieben. Knapp 50 mehr oder weniger verrückte Menschen treffen sich um mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages ihre Runden zu starten. Sobald das erste Büchsenlicht am ostwertigen Horizont auftaucht und die Sonne ihre wärmenden Strahlen über die dampfenden Gerstenfelder schickt, fällt der Zielschuss. Zwischendurch heißt es, fleißig Rundenstriche sammeln. So fuhr die kleine Abordnung des Laufladens nach Apfelstädt. Die Wiese war gemäht und zwar in jeglicher Hinsicht. Zunächst hieß es, die eigene Ausrüstung herzurichten und sich mit der Örtlichkeit vertraut zu machen. Bei Ultraläufen, so bezeichnet man alle Läufe jenseits der klassischen Marathondistanz von 42 KM, geht es grundsätzlich sehr familiär zu. So war es auch diesmal. Man begrüßt sich und quatscht erst einmal über Gott und die Welt. Wobei sich die Welt meist eher auf die ausdauerorientierten Fortbewegung jenseits besagter Entfernung zu beschränken scheint. Startnummer ist geholt. Der Becher am kleinen Verpflegungszelt markiert und das mobile Musikunterhaltungsgerät samt Kopfhörer in Reichweite gelegt. Man weiß ja nie, wie unterhaltsam so ein 10-stündiger Lauf wird. Pünktlich um 22.00 Uhr fällt der Startschuss. Die Taktik ist klar. Der Chef will eine Stunde laufen und sich dann zum genüsslichen Teil, der stationären Beobachtung rudimentärer Bewegungsmuster mit dem Veranstalter zurück ziehen. Ich will schauen, wie weit ich aus dem Training komme.
Anfangs habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich trage meine pinken Laufsocken, eine kurze Laufhose und ein einfaches Funktionsshirt. Meine Startnummer befestige ich klassisch mit Sicherheitsnadeln. Um mich herum tragen nahezu alle Sportler Kompressionssocken, Stirnlampen und vereinzelt Laufrucksäcke. Die vor uns liegende Runde ist zwar nur 1.75 Kilometer lang, aber offensichtlich habe ich die falsche Kiste gepackt. Das Wetter wirkt eher subtropisch und durchaus schwül. Daher wundert es mich, dass einige Mitstreiter mit Laufweste und langer Hose an der Linie stehen. Startschuss. Es geht los. Die Süddeutsche Zeitung kann ich zwar nicht mehr lesen, aber das Licht reicht noch gut aus um zumindest den Weg vor sich erkennen zu können. Nach etwa 10 Minuten bitte ich einen Mitläufer, doch das Licht zu löschen. Ob man denn dann noch genug sehen würde, fragt man mich. Ich bejahe und verweise auf das rechts und links vom asphaltierten Fahrradweg befindliche Getreide. Wenn es an den Schienbeinen krabbelt, sollte man ein paar Zentimeter mehr in die Mitte wechseln. Ich glaube, Sarkasmus kommt bei Ultraläufern nicht immer gut an. Das Schöne aber ist, dass man miteinander kommuniziert – zumindest auf den ersten Runden. Nach 30 Minuten wechseln die ersten Teilnehmer vom läuferischen in den genüsslichen Teil. Die Veranstalter haben wirklich ein nettes Ambiente geschaffen. Nach 15 Kilometern muss ich langsam meine Augen mangels Helligkeit anstrengen. Inzwischen hört man auf dem Rückweg schon immer das Verpflegungszelt. Besser gesagt, die nachbereitenden Läufer, die seit Kilometer 10 den Abend bei einem kühlen Gerstengetränk genießen. Der Rauch des Lagerfeuers wird nun durch zahlreiche Stirnlampen erhellt. Gefühlt sind noch 20-30 Läufer auf der Runde. Ein paar Mal werde ich von hinten eingeholt. Ungewöhnlich ist, dass man die schnellen Läufer bereits 300 Meter vor dem eigentlichen Überholvorgang hört. An den Schuhen sollte es eigentlich nicht liegen. Vielleicht korrespondiert die Schwerkraft nicht mit der Kompression der Socken. Ich werde es an diesem Abend nicht mehr erfahren. Nach ein paar Runden des Überlebens habe ich mich nun auch entschieden, die Stirnlampe aufzusetzen. Die Strecke ist zwar flach und die Pfützen machen mir nichts aus. Wenn Du aber plötzlich 10cm neben dem Fuchs läufst und die Nachtigall trapsen hörst, ist ein bisschen Licht nicht verkehrt. Irgendwann sind nur noch ein paar Läufer unterwegs. Manche haben sich ins Zelt gelegt, sind nach Hause gefahren oder schlafen einfach am offenen Kamin hinter dem Verpflegungszelt – um später weiter zu laufen. Schön ist, dass jeder Teilnehmer individuell entscheiden kann, wann und wie viel er laufen möchte. Meine selbst gebackenen Riegel probiere ich derweil auch und stelle fest, dass weniger Kokosfett doch mehr gewesen wäre. Die Herzfrequenz pendelt sich zum besseren Fettstoffwechsel fast automatisch herunter. Unterhalten ginge problemlos. Das Problem ist nur, dass ich niemanden mehr um mich habe. So scheint es einigen zu gehen. Inzwischen tauchen am Horizont die ersten Boten der Dämmerung auf. Die subtropische Hitze schlägt sich nun auch in einem sichtbaren Tau auf allen Gräsern, Sträuchern und aufsteigendem Wasserdampf nieder. Nach knapp 45 Kilometern sage ich mir, dass es reicht. Zumindest für die heutige Nacht. Der beste Läufer sollte da noch 52 weitere Kilometer absolvieren. Ich bereite gemütlich nach und nehme inmitten der Nacht ein kühles Bad in der gut gefüllten Apfelstädt. Anschließend beobachte ich die ersten Läufer, die in den zweiten Teil des Nachtlaufes starten. Während ich vorbildlich mein Pseudo-Dehnprogram versuche abzuspulen, werden die Schritte der anderen kürzer und die Bodenkontaktzeiten länger. Pünktlich um 7.45 Uhr fällt der Zielschluss und jeder Läufer hat noch die Möglichkeit, eine letzte Runde zu schaffen. Zum Abschluss wartet schließlich noch ein gemeinsames Frühstück samt Siegerehrung. Der Fuchs und die Nachtigall haben sich derweil auch wieder rar gemacht. Was bleibt, ist ein sehr familiär geführte Veranstaltung, bei der es rund geht, sofern man mag. Jeder der schon einmal weiter als einen Halbmarathon gelaufen ist, kennt den Mann mit dem Hammer. Der Lauf in Apfelstädt ist die ideale Veranstaltung um ihn in entspannter Umgebung kennen zu lernen. Der Applaus der Nachtigall ist Dir dann sicher! Jetzt geht es erst einmal zurück in den Laden. Ab 10.00 Uhr kommen dann wieder die ersten Fragen nach Gamaschen für den Steigerlauf…
Weil wir das Laufen lieben.